#StopFundingHateNow-Dokumentation, Deutschland: Werbungtreibende Unternehmen nach Branchen

[ufomedia] Die von Michael M. Maurantonio (HOT AG, Zürich) und mir initiierte Kampagne #StopFundingHateNow identifiziert namhafte deutsche Werbungtreibende, die auf Hate und Fake News-Seiten werben. Beobachtet werden Publisher, die von anerkannten und unabhängigen Institutionen als Verbreiter von Hate und Fake News eingeordnet werden. Die Investigation begann am 12. Februar 2021.

Das Schwert ist zweischneidig. Es berührt das Brand Safety-Problem: Unternehmen laufen Gefahr, dass ihr Image und das ihrer Marken durch regelmäßige Präsenz auf fragwürdigen Seiten Schaden nehmen. Andererseits finanzieren sie mit ihren Werbegeldern Publisher, deren Absicht sehr offensichtlich darin besteht, Gesellschaft und Staat zu beschädigen.

Mediagelder, die in diese Kanäle investiert werden – ca. fünf Prozent der programmatisch ausgespielten Display-Werbung und somit zwischen 100 und 150 Millionen Euro netto – werden dem Werbemarkt entzogen: deutschen (Digital-) Publishern, die auf diese Gelder zur Finanzierung ihrer publizistisch-journalistischen Aufgaben angewiesen sind.
Es geht somit um deutlich mehr als nur das «Verbrennen» von Marketinggeldern oder die Ansprache zweifelhafter Zielgruppen. Werbungtreibende Unternehmen tragen mit ihren Werbeinvestitionen eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Dieser Verantwortung sind sich viele Marketingverantwortliche offensichtlich nicht bewusst.

Die nachfolgenden Listen lesen sich wie das «Who-is-who» der werbungtreibenden deutschen Wirtschaft. Diese Dokumentation listet die Unternehmen und Institutionen nach ihrer Branchenzugehörigkeit auf. Sie sind in der Reihenfolge ihrer Entdeckung auf Hate und Fake News-Seiten aufgelistet.

Von bislang insgesamt 754 identifizierten deutschen Werbungtreibenden (in dieser Dokumentation sind 561 zugeordnet und aufgeführt) reagierten 201 = 27% und erklärten, ihre Kampagnen zu stoppen. Aus vielfältigen Gründen gelang das lediglich in der Hälfte aller Fälle; ihre Werbung wird weiterhin ausgeliefert.
553 Unternehmen = 73% reagierten nicht erkennbar auf unsere auf Twitter veröffentlichten Hinweise.

Screenings von Thomas Koch:

Medien (49)
Die Medienbranche ist überraschend stark vertreten. Überraschend deshalb, weil diese Medien am Ast sägen, auf dem sie sitzen: Sie finanzieren fragwürdige Medien mit eigenem Werbegeld. Es ist somit Mediageld, dass deutschen Publishern – ihnen selbst – entgeht. Praktisch alle namhaften deutschen Medien sind vertreten.
Süddeutsche, Super RTL, Focus, Junge Welt, Audible, dtv, National Geographic, Disney+, FAZ, Kiepenheuer & Witsch, TV Digital, Myself, TV Now, GU Verlag, Finanzen.net, YouTube, VDI, Westfälische Nachrichten, Landlust, Random House, Xing, Sky, ProSiebenSat.1 Gewinnarena, Stuttgarter Nachrichten, Cornelsen Verlag, RTL2, ARD Mediathek, Apotheken Umschau, Deutsches Ärzteblatt, NRW Lokalradios, Kino-Zeit, Joyn, Mare Verlag, Antenne MeckPomm, Big FM, Cosmopolitan, Radio 21, Leserkreis Daheim, NRZ, Rockantenne, Arte, Börsenzeitung, WAZ, Haufe, Sailer Verlag, Kölner Stadtanzeiger, C.H. Beck, S. Fisher Verlage, Herder Verlag

PKW, Zubehör (31)
Die PKW-Branchen-Liste liest sich kurz, enthält jedoch bis auf wenige Ausnahmen alle Vertreter der PKW-Industrie.
VW, Jaguar, Fiat, Nissan, Hyundai, Volvo, Alfa Romeo, Toyota, Abarth, Opel, Maserati, Mercedes Benz, Ford, Isuzu, MG, BMW, Mini, Knaus Tabbert, Hankook, UNU Motors, Subaru, Peugeot, Nokian Tyres, Elli, Webasto, Honda, Iveco, Skoda, Alcoa, VW Nutzfahrzeuge, Tesla

Touristik, Airlines, Hotels (45)
Die Tourismus-Branche ist stark vertreten. Das liegt einerseits am traditionell hohen Online-Werbeanteil dieser Branche, andererseits ist dies möglicherweise auch dem starken, werblichen Online-Auftritt unmittelbar nach dem Pandemie-Lockdown geschuldet.
Condor, TUI, Iberia, Aldiana, ADAC, Schleswig-Holstein Tourismus, Eurowings, Visit Tuscany, Montenegro, Visit BaWü, Spanien Tourismus, Club Med, Tirol, Tropical Islands, Air France, Finnair, Österreich Tourismus, Griechenland, Radisson, Explorer, Münsterland, Mercure Hotels, Rheinland-Pfalz, Menorca, Visit Denmark, Tourismus MV, Bayern Tourismus, Sky Express, Air Baltic, Kitzbühel, Bornholm, Turkish Airlines, Kanarische Inseln, Visit Brussels, Icelandair, KLM, RIU Hotels, Tegernsee, Visit Malta, Qatar Airways, Melia Hotels, Vorarlberg Tourismus, Visit Copenhagen, Marriott, Prag Tourismus

Finanzdienstleister, Banken, Versicherungen (58)
Die Finanzdienstleister zählen zu einer der größten Branchen, die auf Hate und Fake News-Seiten werben. Das irritiert insofern, als Banken und Versicherungen besonders bemüht sein sollten, auch werblich seriös aufzutreten, um nicht den Eindruck zu erwecken, Kundengelder in vertrauensunwürdigen Werbekanälen zu verbrennen. In der Auflistung fehlt kaum eine namhafte deutsche Bank oder Versicherung.
Postbank, Berliner Sparkasse, NKL, PSD Bank, Nürnberger, DA Direkt, Die Bayerische, R+V, Weltsparen, HanseMerkur, Sparda West, PayPal, Presseversorgungswerk, Allianz, Auxmoney, Apobank, Deutsche Bank, Mikrokredit/BMWi, Merkur Bank, Grüner Fisher, Bergische, Santander, Vontobel, Münchener, easykredit, Consorsbank, West Lotto, WGV, Quirin Bank, L-Bank, DKV, Europa, Barmer, VR Banken, Openbank, Badische, WWK, Württembergische, BB Bank, NRW.Bank, Cosmos Direkt, VRK, Novitas BKK, Degussa Bank, Qonto, Ottonova, Deutsche Familienversicherung, Swiss Life, Compeon/KfW, MHPlus Versicherung, Liqid, Liechtensteinische LB, Deutsche Leibrente, Comdirect, Teilkauf, Pepperstone, Paychex, Creditsafe

Tech, Telko, Computer, IT (52)
Die IT- und Telko- (Soft- und Hardware-) Branche zählt zu den regelmäßigen Werbungtreibenden auf fragwürdigen Seiten. Das erstaunt, da man annimmt, sie hätten durch ihre Nähe zu Tech und Online ihre programmatischen Werbeauslieferungen besser im Griff als andere Branchen. Dem ist nicht so. Lediglich Tech-Riesen wie Deutsche Telekom und Vodafone fehlen auf der Liste.
Congstar, Lenovo, LG, Adobe, Samsung, Sony, Klarmobil, Brother, 1&1, Avira, Huawei, Fujitsu, Google Chrome, Dell, Ionos, Fuji, Bitdefender, Uniper, GoDaddy, Logitech, Nokia, Jabra, Eizo, Acer, Domain Factory, Asus, Aldi Talk, Nintendo, Sega, Lexware, Pluto, O2, SAS Software, BullGuard, Sipgate, Gigaset, Salesforce, Deutsche Telefon, Hama, Gravis, Cisco, Huawei, UIPath, McAfee, Opera, HP Deutschland, Synology, Lenovo, SAP, Taxfix, Verizon, Kingston Technology

Online-Plattformen (23)
Die hier getrennt aufgeführten Plattformen sind offenbar weniger von Brand Safety-Problemen betroffen. Die Liste enthält dennoch eine erschreckende Anzahl sehr prominenter Branchenvertreter.
Kalaydo, Verivox, immowelt, Babbel, anwalt.de, Monster, bet-at-home, Indeed, Etsy, Autohero, Airbnb, Swoodo, wirkaufendeinauto.de, Momondo, MarktGuru, Rebelle, Trivago, preisboerse24, Ab-in-den-Urlaub.de, Stayfriends, Blinkist, Jobs NRW, Kayak

FMCG, Fast Food (20)
Die FMCG-Branche ist mit wenigen, jedoch recht prominenten Marken vertreten. Dies überrascht nicht, da sie zwar zu einer der größten Werbe-Branchen, jedoch der mit dem geringsten Onlineanteil und somit auch den geringsten programmatischen Spendings zählt.
Danone, Illy, Hitchcock, Wagner Pizza, GlaxoSmithKline, Milram, Milka, Starbucks, Nuii, Nivea, Frosta, Gustavo Gusto, Diamant, Alma Bergkäse, Veganz, Naughty Nuts, UHU, Develey, Nespresso, McDonald’s

Handel (82)
Der Handel ist die Branche mit den weitaus meisten Vertretern in der Liste. Das ist den allgemein hohen Werbeaufwendungen und dem zugleich hohen Anteil programmatischer Onlinewerbung geschuldet. Kaum ein namhaftes deutsches Handelsunternehmen ist nicht von fehlgeleiteten Werbeauslieferungen betroffen.
bett1.de, KaDeWe, Hellofresh, Amazon, MDM Münze, P&C, MediaMarkt, Saturn, Hawesko, Lidl, XXXLutz, Ansons’s, MeinAuto.de, Zalando, Expert, Shop Apotheke, Toom, Bonprix, C&A, Ebay, Hertie, Euronics, Netto, Glossybox, Otto, Galeria, Moebel.de, Flaconi, Uhlsport, Tchibo, Notebooksbilliger.de, IKEA, Eismann, moebel24, Etsy, Fressnapf, brillen.de, Roller, coolblue, Kaufland, BoConcept, Penny, Stylebop, Shein, Bauhaus, Braun, Toolino, Prange, dm Drogeriemarkt, Metro, Porta, Shop Apotheke, Flaschenpost, Schäfer Shop, Adler, Ernsting’s, Picnic, REWE, Chrono24, Vivino, Breuninger, Vedes, Doc Morris, Poco, Globus, Schaffrath, Erwin Müller, Aldi, Finn Auto, Euronics, Sephora, Lucky Bike, Intersport, Zooplus, Homeshopping Europe, Hugendubel, Stabilo Baumarkt, Singulart, Reno, Net-A-Porter, Westwing, EIS.de

Sport, Spiel, Freizeit (21)
Diese insgesamt kleinere Branche mit häufig geringeren Werbeetats ist offenbar weniger stark von Brand Safety-Problemen betroffen. Die Liste enthält jedoch eine große Anzahl namhafter Branchenvertreter.
Adidas, Shimano, Salomon, Leica, Zeiss, Ravensburger, Playmobil, Tobis, Head Tennis, TSG Hoffenheim, Constantin Film, Garmin, Sony Music, Universal, Lego, Deutsche Grammophon, Koch Media, McFit, Patagonia, DeAgostini, Hasbro

Institutionen, Ministerien, Parteien (35)
Die Gruppe der Institutionen bereitet Sorge. Nicht nur, weil sie fragwürdige Publisher mit zumeist öffentlichen Geldern finanzieren, sondern auch (belegt durch ihre Reaktionen) die geringste Kompetenz für den Umgang mit Onlinewerbung an den Tag legen.
Hannover Messe, Bundesministerium für Wirtschaft, TÜV, Unicef, Ministerium für Schule und Bildung NRW, Bundesregierung, Bundesgesundheitsministerium, Freistaat Thüringen, Friedrich Naumann Stiftung, BZgA, DEHOGA, Messe München, Goethe Institut, DFB, Hochschulen, Polizei NRW, DGB, Team Todenhöfer, Institut d. dt. Wirtschaft, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Rotes Kreuz, IHK NRW, Caritas, FDP, AfD, Aktion Deutschland Hilft, CDU, Deutscher Mieterbund, AWO, Volt, Foodwatch, Johanniter, Bündnis C, Safer-Together/EU-Kommission, Sporthilfe

Bekleidung, Schmuck, Uhren (58)
Auch diese Branche ist stark mit Werbungtreibenden jeder Couleur vertreten. Zugleich ist sie die Branche mit der größten Zurückhaltung bei Reaktionen auf Hinweise fehlgeleiteter Werbung.
Marc O’Polo, Swarovski, Mey & Endlich, Walbusch, Wolford, Giesswein, Lloyd, Ray Ban, Bruno Banani, Dsquared, Tamaris, Pepe Jeans, Hirmer, Uniqlo, Collonil, Vilebrequin, Oakley, Triumpf, Paul & Shark, Lilienthal, Schöffel, Bugatti, Floris van Bommel, Lodenfrey, Tag Heuer, intimissimi, Tommy Hilfiger, Mango, Gabor, The North Face, G-Shock, Hackett London, Kipling, Pandora, Joop, Thomas Sabo, Jacadi, Calvin Klein, Hallhuber, Philipp Plein, Hugo Boss, Doc Martens, Fortis, Ecco, Fred Perry, Bergfreunde, Görtz, Napapijri, Esprit, A.P.C., Charles Tyrwhitt, Junghans, Petit Bateau, Marina Rinaldi, WL Gore/Gore-Tex, Colorful Standard, Detomaso, Peter Kaiser

Haushalt, Möbel, Haushalts-Elektronik (44)
Die Liste enthält mit Philips, Bosch, Linde, Miele, Siemens, Neff, Sony, Kärcher & Co alle großen Unternehmen der Haushaltsgeräte-Industrie.
Amplifon, De‘Longhi, Zwiesel, Weber, Victorinox, Makita, Villeroy + Boch, Philips, Bosch, Sennheiser, Beyerdynamic, Rolf Benz, Leifheit, Linde, Revox, Miele, Bora, Husqvarna, Tupperware, Liebherr, Black + Decker, Velux, Fackelmann, Siemens, KIND, Grundfos, Neff, Varta, Hailo, Sony, Biffar, Okal, Gira, Fissler, Revox, Severin, Roborock, Grundig, Stihl, Grohe, Einhell, Ooni, Rollei, Kärcher

Pharma, Chemie, Kosmetik (12)
Diese Liste ist erfreulich kurz, enthält jedoch mit BASF, Novartis, Yves Rocher, L’Oréal und Boehringer viele prominente Unternehmen, die auf fragwürdigen Seiten werben.
Estée Lauder, BASF, Novartis, Paula‘s Choice, Yves Rocher, Merck, La Mer, Siemens Health, LaRoche Posay, L’Oréal, Vichy, Boehringer

Energie (19)
Auffallend an der Liste der Energieversorger ist die Zahl der städtischen Unternehmen, die hier – ähnlich der Gruppe der Institutionen – fragwürdige Publisher mit öffentlichen Geldern finanzieren.
eprimo, Lekker Energie, Vattenfall, Stadtwerke Essen, ABB, Stadtwerke Düsseldorf, Stadtwerke Duisburg, 123energie, E.ON, TEAG Thüringer Energie, Gas AG, DEW Dortmunder Energie, Stadtwerke Leipzig, Bürger Gas, Stadtwerke Karlsruhe, Mobil, EnBW, NEW AG, Amprion

Verkehr, Logistik, Mietwagen (12)
Diese ebenfalls kürzere Liste besticht mit Unternehmensvertretern wie DHL, Deutsche Bahn oder FedEx, von denen man mehr Expertise im Umgang mit Onlinewerbung erhofft hätte.
DHL, DB Deutsche Bahn, Fraport, Verkehrsverbund Rhein-Sieg, Sixt, Toll Collect, Avis, Kölner Verkehrsbetriebe, Enterprise, Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, FedEx, Jungheinrich


Nachwort:
Im Zuge der #StopFundigHateNow-Kampagne fand ein Austausch mit allen relevanten Branchenverbänden statt: ZAW Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, Markenverband, OWM Organisation Werbungtreibende im Markenverband, BVDW Bundesverband Digitale Wirtschaft und OVK Online-Vermarkterkreis im BVDW sahen sich nicht in der Lage, die Kampagne zu unterstützen, erklärten jedoch, dass sie alles technisch und Menschenmögliche daransetzen, Werbung auf Hate und Fake News-Seiten zu vermeiden. Diese Dokumentation spricht für sich. Einzig OMG, die Organisation Mediaagenturen im GWA, suchte keinen Dialog mit den Initiatoren der Kampagne.

PS: Michael M. Maurantonio sprach am 26.10.2021 an den Medientagen in München über das Thema Brand-Safety.
Wir von #StopFundingHateNow analysieren nicht nur die Inhalte eines Artikels, sondern durchleuchten die gesamte Seite und deren Macher. Ein von Rassisten veröffentlichter Artikel über ein Fussballspiel kann Brand-Safe sein, es ändert aber nichts an der Tatsache, dass ihn Rassisten veröffentlicht haben und damit Werbegelder in deren Taschen fliessen.