Gastbeitrag von Dr. Augustine Fou. Sie können Ihre Brandsafety-Tools wegwefen!

Wer kennt ihn nicht? Dr. Augustine Fou, der Marketing-Experte, der seit über 25 Jahren misst und beschreibt, wie die Digitalisierung unsere Gesellschaft und das Marketing verändert. Dr. Fou hat sich bereit erklärt, einen Gastbeitrag für unseren Blog zu schreiben. Vielen Dank, lieber Augustine! Der Original-Artikel auf Englisch findet sich auf Forbes. 

[acfou; Übersetzung: mikimaur] 

Das Brandsafety-Thema wurde in den letzten Jahren ausgiebig diskutiert. Die Branchenverbände haben es als ihre nächste grosse Initiative nach Viewability angepriesen. Aber ihre Brandsafety-Initiativen sind genauso gescheitert, wie zuvor ihre Viewability-Initiativen. Das liegt daran, dass Viewability-Messungen von Fraudsters, die AdFraud betreiben, leicht ausgetrickst werden können (z.B. wurde Newsweek dabei erwischt, wie sie bestimmte Codes verwendeten, um Messungen zu verfälschen). Ausserdem kann man Viewability-Messungen kostenlos mit Standard-Javascript-Codes durchführen, und unter uns: Viewability ist wertlos, wenn Banner von Bots ausgespielt werden.
Kurz gesagt: Wenn Werbetreibende Werbeplätze von programmatischen Exchanges kaufen, sind die meisten der ausgelieferten Werbeanzeigen, selbst wenn sie als «viewable» von teuren AdTech Tools gekennzeichnet wurden, immer noch nutzlos, da sie nicht Menschen, sondern Bots «gezeigt» wurden. Zudem schadet das sture Beharren auf dem Kauf von «100 % viewability» nicht nur guten Publishern, sondern es fliesst unweigerlich auch mehr Geld zu Fake- und Shady-Seiten, die eben aufgrund von AdFraud angeben, 100% Viewability liefern zu können.


Sinnlose Brandsafety-Initiativen verursachen mehr Schaden als Nutzen!


Genau das Gleiche spielt sich derzeit mit Brandsafety ab. Der Einsatz von Brandsafety Technologien schadet nicht nur guten Publishern wie News-Seiten, sondern führt auch dazu, dass mehr Werbegelder zu Fake-News- und Desinformationsseiten fliessen. Dies ist mittlerweile mit vielen Beispielen gut dokumentiert [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8]. Brandsafety Technologien blockieren Anzeigen auf Seiten grosser News-Portalen wie die New York Times, Wall Street Journal, Washingtonpost usw., weil bestimmte Schlüsselwörter, wie Coronavirus oder BLM, sich im Text auf der Seite befanden. Aber Werbung ist eine wichtige Einnahmequelle seriöser Seiten. Wohin fliessen nun die investierten Werbegelder? Werbungtreibende sind gezwungen, ihre Kampagnen zu lancieren, darum gelangen Investitionen zu anderen Seiten in der programmatischen Lieferkette, wie Fake-News, Hassreden-, Porno- und Desinformationsseiten. Ungeachtet der Behauptungen dieser Tech-Anbieter, dass ihre Technologie ausgereift seien, wurden Artikel wie jenes über die Funktionsweise der Zapper-Pistole im Videospiel Duck Hunt von einem Anbieter für Brandsafety blockiert, weil die Seite das Wort schiessen enthielt (siehe Bild unten: Banner wurde mit frau hinterlegtem Bild ersetzt).

swapped ad due to brand safety blocking

Das Beharren auf der Verwendung von Brandsafety-Technologien schadet daher seriösen Publishern und leitet mehr Werbegelder an Fake-News und Shady-Seiten. Kommt Ihnen das bekannt vor?

Brandsafety-Tools sind eine schlechte Nachricht, weil sie schlecht für Nachrichten sind.


Brandsafety-Tools funktioniert nicht, oder zumindest schlecht.

Unabhängige Studien haben gezeigt, dass die Brandsafety-Technologien (BS-Technologien) offensichtlich rudimentärer aufgebaut sind als mancher behauptet: sie blockieren Anzeigen auf Nachrichtenseiten, deren Seiten Keywords enthalten, die auf Blocklisten stehen. Diese BS-Technologien stufen auch grosse Teile der Seiten von Mainstream-Webseiten als unsicher ein, was dazu führt, dass Werbeeinnahmen verloren gehen, z.B.:
  • 21% der Artikel von economist.com
  • 30.3% von nytimes.com
  • 43% von wsj.com
  • 52.8% der Artikel auf vice.com werden als brand unsafe eingestuft [9]. 
Dies führt unweigerlich zu einer De-Monetarisierung legitimer und seriöser Seiten, hält aber die Anzeigen der Werbetreibenden nicht von Fake-News- und Desinformations-Seiten fern. Schliesslich können die Algorithmen nicht zwischen Fake-News und echten Nachrichten unterscheiden, da beide den Begriff covid-19 enthalten können. Fake-News-Seiten umgehen die Blockaden geschickt, indem sie unsichere Begriffe in Bilder einfügen, homoglyphe Buchstaben als Ersatz für normale Buchstaben verwenden [10] oder blockierte Schlüsselwörter einfach ganz vermeiden. So fliessen weiterhin Werbegelder in die Hände von Fake-News-Seiten statt zu echten News-Seiten.


Brandsafety Tools sind schlecht. Punkt!


Brandsafety-Technologie ist völlig nutzlos, falls Sie der Meinung sind, dass Retargeting funktioniert.


Die ursprüngliche Prämisse, die die Anbieter von Brandsafety Technologien immer wieder vortrugen, war, dass Markenverantwortliche nicht wollten, dass ihre Anzeigen neben Videos von enthaupteten Terroristen auf YouTube gezeigt werden. Wir konnten beweisen, dass dies nicht funktioniert und viele dieser «suspekten» Organisationen weiterhin Werbeeinnahmen auf YouTube und anderswo generieren [11], trotz der Tatsache, dass die Marken für Brandsafety-Tools bezahlt hatten. Und das ist nicht das einzige Problem.

Lassen Sie es mich kurz erklären:
Sie wissen bestimmt, was Retargeting ist, oder? Das «Ding», das macht, dass Ihnen Anzeigen auf Schritt und Tritt folgen, nachdem Sie eine Website besucht haben oder auch nur ein einziges Produkt angeschaut haben. Ein ganz einfaches Beispiel, das im Adalytics-Blog geschildert wird, zeigt, wie ein User, der die Website der Harvard Business School benutzte und bei dem ein Retargeting-Cookie im Browser gesetzt wurde, eine Harvard Business School-Anzeige aufgrund von Retargeting gezeigt bekam, weil er zu russischen Propaganda-Websites wie Sputnik News navigiert war. Für den User hat die Marke keinen Schaden abbekommen. Der User war bewusst auf diese Seiten gegangen, inkl. der Harvard-Seite. Demnach wird er sich (vielleicht) nicht daran stören, wenn er die Marke dann auf diesen Desinformationsseiten wiederfindet.

Aber erinnern Sie sich an die Eye-Tracking-Studien der letzten Jahre, die gezeigt haben, dass Menschen sehr gut darin sind, sich Banner-Werbung nicht anzuschauen?...

banner blindness example


Was ist, wenn es sich um eine Long-Tail-Seite mit unsicherem Inhalt handelt? Brauchen wir dann nicht doch eine BS-Technologie, um dort Werbung zu blockieren? Nein, keine Sorge, die Bots stören sich überhaupt nicht an Ihren Anzeigen, und sie werden sicher nicht denken, dass Ihre Markenimage gelitten hat, wenn Ihre Anzeige auf der Website erscheint, die sie dafür bezahlt hat, den Traffic zu erzeugen.
Ich überlasse Ihnen die Wahl:

  1. wenn Sie glauben, dass Retargeting funktioniert, dann ist Brandsafety evtl. unnötig, oder 
  2. würden Sie weiterhin für einen Staubsauger etwas bezahlen, der keinen Staub saugt?

Was also tun?


Was soll ein Werbekunde also tun, wenn er merkt, dass
  1. Wer für den Einsatz von Brandsafety-Technologien zusätzlich zur Kasse gebeten wird, obschon diese Technologien nicht gut funktionieren
  2. Brandsafety-Technologien Werbeanzeigen auf legitimen Newsportalen blockieren, während sie gleichzeitig dazu beitragen, dass Werbeinvestitionen zu Fake-News-Seiten geleitet werden
  3. Brandsafety-Technologien aufgrund von Retargeting ohnehin nicht nutzen?

Schalten Sie stattdessen Suchanzeigen! Diese werden der Person angezeigt, die aktiv nach etwas gesucht hat, während sie etwas sucht und wenn sie auf den Bildschirm starrt. Aber in diesem Artikel geht es zum Glück nicht um Suchanzeigen. Darüber berichten wir zu einen späteren Zeitpunkt in einem anderen Artikel. 

Spass bei Seite: Überlegen Sie sich, ob Sie für Technologien zur Erkennung von Brandsafety Fällen bezahlen müssen. Wenn Sie Ihren Media-Einkauf so ändern können, dass Sie von vornherein auf echte Nachrichtenseiten, Seiten guter Publisher und «gut beleuchteten Gegenden» (Anm. mikimaur: in Anspielung an shady Seiten) abzielen, können Sie viele Probleme im Zusammenhang mit Adfraud, Viewability und Brandsafety auf einmal lösen.

  • Auf guten und seriösen Publisher-Seiten tummeln sich nur wenige Bots
  • sie verfügen über echte Viewability
  • und Werbung neben Nachrichten zu schalten, diese Werbung echten Menschen zu zeigen, ist weitaus besser, als alles andere, was Sie jemals von billigen, betrügerischen, Fake-Seiten oder Fake-News-Seiten bekommen könnten. 
Verwenden Sie daher Ihre eigene und sehr strikte Include-Liste von Domains. Kaufen Sie so viel wie möglich direkt ein. Wenn Sie guten Publishern höhere CpMs bezahlen, sparen Sie langfristig mehr Geld, weil Sie nicht für Adfraud-, Viewability- und Brandsafety-Technologien zahlen müssen. Sie benötigen dann auch weniger Ad-Impressions. Sie werden bestimmt auch bessere Geschäftsergebnisse erzielen, wenn Sie sich auf diese Punkte fokussieren.